Samstag, 19. April 2014

Die Hinterachse: Fünf Fehler und eine Überraschung

Nach einer Woche Pause ging es heute an das Zerlegen der Hinteachse und des Antriebswelle. Eine spannende und interessante Angelegenheit. Aus diesem Grund wird das ein ziemlich langer Post mit vielen Bildern und erstmals auch mit zwei Filmchen werden.
Mit von der Partie war übrigens wieder Uwe. Alleine hätte ich das auch diesmal nicht hinbekommen.

Um die Hinterachse in die verbereitete Halterung stecken zu können, muss man bei einer Ruckstellachse erst einmal die Betätigungseinheit des Ruckstellgetriebes abschrauben. Kinderspiel, sind bloß drei Schrauben.
Leider hat sich dabei wieder mal gezeigt, daß das Model T offenbar mal einer Quick and Dirty Verschönerung unterzogen wurde. Es ist einfach nur "drüberlackiert" worden. Man kann es am abgeplatzten schwarzen Farbplättchen gut erkennen.


Von innen sieht der Betätigungshebel nicht sonderlich spektakulär aus. Man sieht die Schaltgabel die im montierten Zustand in die Schaltklaue eingreift.



Ein interessantes Detail gibt es an der Betätigung aber doch zu entdecken. Von unten drückt ein federgestützter Bolzen gegen die Schaltgabel. Der Bolzen ist vorne zugespitzt und in der Schaltgabel sind zwei passende Rillen  eingefräst. Das sind die zwei Schaltstellungen, die die Betätigung einnehmen kann.

Der Blick ins Innere der Achse zeigt lediglich die Schaltklaue:



Juhuuu! Die Hinterachse passt in die nach Augenmaß zugesägte Halterung. Das vereinfacht die Montage und Demontage natürlich erheblich.



Als nächste kam erst einmal wieder der Driveshaft an die Hinterachse. eingentlich nur zum Ausprobieren, was an der Halterung ev. noch verbessert werden muss. Es passt aber alles.


Dann ging es ans Trennen der Achshälften. Einfach die Schrauben raus und die in Fahrtrichtung gesehen rechte Achshälfte nach oben abziehen. Dann kam die in er Überschrift genannte Überraschung zum Vorschein.






Eine lange um die Achse gewickelte Feder. Das war definitiv nicht original. Der Sinn der Schraube besteht darin, eventuell an der Achse nach außen laufendes Öl wieder zurück ins Achsgehäuse zu befördern. Interessantes Detail. Heute wird das dadurch gelöst, daß man hinter das Radlager eine Wellendichtung einsetzt.

Jetzt hat man freien Blick auf den seitlichen Ausgleich des kompletten Ruckstell-Getriebes. Der erfolgt wie bei der original Ford Hinterachse mittels zweier Stahlscheiben und einer dazwischenliegender Anlaufscheibe (Thrust Washer). Dieses Teil ist oftmals dafür verantwortlich, wenn Hinterachsen zu viel Spiel haben. Der Grund liegt darin, daß original hier Scheiben verbaut wurden, die sich im Laufe der Jahrzehnte schlicht und ergreifend auflösen, bzw. zerbröseln. Neue Scheiben sind in der Regel aus Messing und halten problemlos. Offensichtlich wurde die Hinterachse meines Model T schon einmal überholt. Die drei Scheiben sind in Ordnung und auch nicht für das seitliche Spiel der Hinterachse verantwortlich. Nur zur Erinnerung: Das übermässige Spiel der Hinterachse war der Grund für die Demontage.


Einzig auffällig ist die Form der Ölkanäle auf dem mittleren Ring in Form zweier Kreise. Normalerweise sind das zwei gerade Nuten links und rechts.

Nachdem das innere Rollenlager und die drei Scheiben entfernt wurden, zeigte sich, daß das Spiel in der Hinterachse aus dem Inneren der Ruckstell-Einheit kommt. Das kann man auf dem folgenden Video sehr gut sehen:





 Der Verdacht richtet sich nun gegen die im Inneren des Gehäuses befindliche Distanzscheibe.

Bevor es aber ans Öffnen des Gehäuses geht, wurde erst einmal geprüft, wie es um das Spiel der Antriebswelle bestellt ist. Beim Ausbau ist mir schon aufgefallen, daß auch dort viel zu viel Spiel vorhanden ist. Normalerweise darf diese Welle Null Spiel in Achsrichtung haben. Hier waren es aber einige Millimeter. Dieses Spiel wird durch durch Distanzscheiben hinter dem Zahnrad ausgeglichen, bzw. durch Anpassen der Buchse am oberen Ende der Antriebswelle. Eine leidige und zeitaufwändige Prozedur, deren Bedeutung gerne unterschätzt wird. Diese Spiel war übrigens der erste Fehler, den wir finden konnten.

Auf dem nachfolgenden Video ist das Spiel in der Antriebswelle sehr gut zu erkennen:


Um das Ruckstellgetriebe zerlegen zu können, muss dieses aus dem linken Achsgehäuse herausgezogen werden. Leider haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht geschnallt, daß man auch dieses Teil besser im vertikalen Zustand zerlegt. War aber nicht weiter schlimm, es ging auch so.

Für alle, die ein solches Stück faszinierender Technik noch nie gesehen haben, zeigt das nachfolgende Bild den grundsätzlichen Aufbau. Ein Ruckstellgetriebe ist eine Planetengetriebe mit zwei "Gängen".In gezeigten Stellung der Schaltklaue ist das Planetengetriebe "aktiv" und es ist der "Untersetzungsgang" eingelegt. Schiebt man die Schaltklaue nach rechts, dann läuft das Planetengetriebe quasi leer mit und die Hinterräder werden 1:1 wie bei einer normalen Model T Hinterachse angetrieben.


Beim Aufschrauben des Ruckstellgehäuses zeigte sich dann der zweite Fehler, der allerdings nichts mit dem Spiel in der Hinterachse zu tun hatte.
Die Spezialschrauben waren alle vorschriftsmäßig mit Draht gesichert. Was fällt aber bei genauerem Betrachten der Schrauben auf?


Unter der linken Schraube befindet sich keine Unterlegscheibe. Insgesamt hatten drei der zehn Schrauben keine Scheibe unter dem Kopf. Ein blöder Fehler. Warum? Ganz einfach: Unter den Köpfen befindet sich ein Gehäuseteil aus Bronze. Ein bekanntlich sehr weiches Metall. Dementsprechend sah es aus unter den Schraubenköpfen aus:



Wie man sieht, hat sich der Schraubenkopf mindestens einen halben Millimeter ins Gehäuse eingearbeitet. Wirklich ein blöder Fehler. Je länger ich darüber nachdenke, umso schwerwiegender erscheint mir das Problem. Es ist nicht einfach damit getan beim Zusammenbau eine der normal verwendeten Scheiben unterzulegen. Der Durchmesser der Scheibe ist etwas größer als das vom Kopf ausgefräste Stück. Entweder man vergößert das ausgefräste Stück bis die reguläre Scheibe reinpasst, oder man fertigt eine Scheibe an, die genau das ausgefräste Stück ausfüllt, damit die reguläre Scheibe darüberpasst. Nicht wirklich schön.

Nach dem Öffnen des Gehäuses hatten wir erst einmal alle Hände voll zu tun, daß uns die Einzelteile des Getriebes nicht auf die Füße gefallen sind. Daher gibt es davon keine Bilder. Auf der Werkbank haben wurden die Teile dann so arrangiert, daß man ein paar Einzelteile des Planetengetriebes sehen kann.


Auf dem Bild fehlen die Planetenräder des Getriebes. Die werden durch das Gehäuse des Differentials geführt. Auf dem nachfolgenden Bild kann man zwar das Gehäuse des Differentials sehen, die Planetenräder liegen aber bereits dahinter auf der Werkbank.


Vorne im Bild ist eine der drei Aufnahmebohrungen für die Achsen der Planetenräder zu erkennen.

Nach dem Auseinderlegen des Ruckstellgehäuses war auch der Blick frei auf den Auslösers des eigentlichen Problems. Es fehlt schlicht und ergreifend die Distanzscheibe im Inneren des Ruckstellgetriebes. Das ist der Auslöser für das achsiale Spiel der Hinterachse. Eigentlich unverständlich, warum man das bei der Montage wegläßt. Entweder man hat das ganze System nicht verstanden, oder man ist schlicht und einfach ein Schlamper. Oder auch beides. Das war nun der Fehler Nummer 3.

Weder im Gehäuse:


Noch auf dem Differential war die Distanzscheibe zu finden:



Wo wir schon dabei sind, haben wir auch noch das Differential zerlegt, auch wenn das augenscheinlich gut aussah. Zunächst zumindest.

So sieht das dann aus. Links und rechts sieht man die beiden Zahnräder auf den Halbachsen und dazwischen liegt der sog. Spider mit den drei Zahnrädern.



Eine generelle "Schwachstelle" hat das Differential: Die beiden Halbachsen treffen sich nicht ganz in der Mitte des Gehäuses. Damit sich diese nicht in axialer Richtung bewegen können, wird in den Spalt zwischen den Halbachsen ein sog. Fibre Washer eingelegt. Nichts weiter als ein Abstandshalter aus fester Pappe. Das reicht technisch vollkommen aus, weil sich die Achsen im normalen Fahrbetrieb mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit drehen. Erst bei der Kurvenfahrt haben die beiden Achsen eine geringfügig unterschiedliche Drehgeschwindigkeit.
Das eingelegte Distanzblättchen ist in der Regel eine knappen Millimeter zu dünn, weswegen sich die Achsen etwas zueinander bewegen können. Man legt deswegen zwei Plättchen ein und gleicht diese in der Stärke an. Im Differential meines Model T war nur eine Scheibe eingelegt. Das ist dann Fehler Nummer 4, auch wenn das original so war. Heute weiss man es besser.

Die beiden Distanzplättchen vor dem Abschleifen:


Beim Abschleifen hatte Uwe wieder einmal ein gute Idee: Einfach das Plättchen mit doppelseitigem Klebeband am Werktisch festkleben:


Der fünfte Fehler war nicht so offensichtlich, dafür aber umso erstaunlicher.
Schon vor dem Zerlegen des Differentials habe ich gesehen, daß auf die Schrauben Kronenmuttern aufgeschraubt sind, die Schrauben selbst aber mit Draht gesichert sind. Das ist ungewöhnlich, weil man Kronenmuttern normalerweise mit Splinten sichert und Schraubenköpfe gegen Verlust mit Draht gesichert werden. Die Kronenmuttern haben den Draht gar nicht berührt. Ich habe es zwar gesehen, es hat mich aber erst einmal nicht gestört.


Nach dem Aufschrauben kam des Rätsels Lösung. Die Schrauben waren allesamt gedehnt. Und zwar so stark, dass sie sich am Gewinde verjüngt haben.


Da war jemand Bastelkönig und hat mit roher Gewalt hingelangt und beim Festziehen die Schrauben überdehnt. Anstatt neue Schrauben einzubauen hat er dann einfach die Schrauben anstelle der Muttern mit Draht gesichert. Unglaublich. Damit hat es sich also doch rentiert das an und für sich als unproblematisch geltende Differential zu öffnen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen