Ich konnte es kaum erwarten, nahm am 29. November einen Tag Urlaub und bin die drei Stunden gen Norden gefahren.
Das Fahrzeug stand in einer Werkstatt auf einer Hebebühne und ich bin ca eine Stunde um das gute Stück herumgeschlichen. Habe dabei jede Menge Fotos gemacht und einige wahrscheinlich ziemlich doofe Fragen gestellt. Naja, Anfänger eben. Die Antworten waren aber grösstenteils auch nicht besser.
Nein, eine Probefahrt habe ich nicht gemacht. Wenn ich ehrlich bin: Ich habe mich nicht so recht getraut. Ich bin noch nie ein Model T gefahren und dann auch noch eines, das mir nicht gehört? Ne, ne, das war mit zu heikel.
Die Jungs von der Werkstatt haben den Motor mal angelassen. Nun bin ja noch alles andere als ein Experte in Sachen Model T, aber das hat sich alles gut angehört.
Obwohl so ein Model T ja nur mit einer 6 Volt Anlage ausgestattet ist, zog der Anlasser kräftig durch, der Motor ist auch sofort angesprungen und lief für einen 90 Jahre alten Motor recht ruhig.
Sogar ein Hot Start funktionierte. Dabei springt der Motor im warmen Zustand auch ohne Anlasser an, wenn man den Zündzeitpunkt verändert. Eine Besonderheit der Summerzündung eines Model T. Das klappt wohl nur bei Motoren, die halbwegs in Ordnung sind.
Erster positiver Eindruck: Es war tatsächlich das Fahrzeug, das auch auf den Bildern bei Mobile dargestellt war. Nicht immer eine Selbstverständlichkeit.
Unter dem Blech sah man dem Fahrzeug schon eher die 90 Jahre an. Offenbar hat man das Fahrzeug äusserlich optisch hergerichtet, die Technik aber - wie so oft - eher belassen wie sie war. Muss nicht unbedingt verkehrt sein. Ist mir lieber, als wenn ein Laie daran herumdoktert und mehr dabei kaputt macht als instandsetzt.
Der Motor ist optisch kein Sahnestück, sieht aber auch nicht vermurkst aus. Alles ist da und - wenn auch hie und da etwas angerostet - in passablem Zustand. Die Elektrik werde ich wohl sicherheitshalber neu machen. Man weiss ja nie, wie lange die Kabel schon im Auto sind. Sicher ist sicher.
Ok, so richtig dicht war ein Model T wohl nie, aber da wird man mal nachsehen müssen, wo das Öl herkommt. Zumindest rostet da nix.
Kleine Überraschung: Ein Ölstandsanzeiger ist nachgerüstet worden.
Unter der hinteren Sitzbank sieht es ganz passabel aus. Holz und Blech in Ordnung.
Nicht ganz so toll sieht es unter der vorderen Sitzreihe aus. Der Tank scheint zwar dicht zu sein, ist aber zumindest äusserlich überholungsbedürftig. Interessantes Detail: Der Tankverschluss sitzt auf einem Stutzen und hat einen Deckel wie bei einem Moppedtank. Normalerweise hat ein Model T einen Tankdeckel mit einem Aussengewinde, ägnlich wie bei einem Ölfaß.
Im "Innenraum" sieht alles gut aus. Die Sitzbänke sind, abhesehen von einem kleinen Loch in der Lehne vorne rechts, in gutem Zustand, das Verdeck ist neu und auch sonst passt zumindest die Optik.
Ein besonderes Zuckerl ist natürlich die Ruckstell Hinterachse. Ein beliebtes Zubehörteil seiner Zeit. Es handelt sich um ein Zwei Gang Getrieb mit einem direkten Gang und einer Untersetzungsstufe. Das hilft einem Model T ein bisschen über den grossen Übersetzungssprung zwischen erstem und zweitem Gang. Mit Sicherheit von großem Vorteil am Berg und wenn mehrere Passagiere an Bord sind. Hoffentlich ist das noch in Ordnung. Man bekommt zwar heute noch alle Teile, aber billig ist hier eine Reparatur nicht.
Alles in allem sicherlich kein Sahnestück, aber eigentlich genau das was ich gesucht hatte. Optik in Ordnung, wenn auch teilweise etwas schlampig hergerichtet, die Basis insgesamt in meinen Augen gut. Einzig die Rocky-Mountain-Brakes von meiner Wunschliste fehlten. Die kann man aber problemlos nachrüsten.
Ich habe die Werkstatt nach über einer Stunde etwas wortkarg verlassen, hatte den Kopf voller Fragezeichen und mir war eigentlich schon klar: Die Kiste isses.